Die weltgrößte Kryptobörse Binance hat offenbar direkten Zugriff auf ein Bankkonto ihres angeblich unabhängigen US-Partners Binance.US. Diesen Zugang soll Binance genutzt haben, um nach und nach mehr als 400 Millionen Dollar an eine Handelsfirma zu verschieben, die wiederum unter der Kontrolle von Binance-Gründer und -CEO Changpeng Zhao steht. Dies geht laut Reuters aus Bankunterlagen und Unternehmensnachrichten der Kryptobörse hervor.
Die Geldtransfers könnten darauf hindeuten, dass die globale Binance-Börse, die keine Lizenz für den Betrieb in den USA besitzt, die Finanzen seiner amerikanischen Einheit kontrollierte. Deswegen haben das US-Justizministerium und die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) die Kryptobörse im Rahmen laufender Ermittlungen wegen möglicher Verstöße gegen Finanzvorschriften um Informationen über ihre Beziehung zueinander gebeten. Die Behörden beabsichtigen herauszufinden, ob Binance die amerikanische Börse als Deckmantel für Geschäfte in den USA nutzt.
Chefin von Binance.US nannte die Überweisungen »unerwartet«
Wie Reuters nach Einsicht in die Aufzeichnungen für das betreffende Quartal erfahren hat, sollen die 400 Millionen Dollar in den ersten drei Monaten des Jahres 2021 von der in Kalifornien ansässigen Silvergate Bank an die Handelsfirma Merit Peat geflossen sein, deren Vorsitz Binance-CEO Changpeng Zhao innehat. Ob es sich um Geld von Binance.US-Kunden handelte, ist unklar. Die damaligen Geschäftsbedingungen besagten, dass deren Dollar-Einlagen von der Silvergate Bank und einer Verwahrstelle in Nevada verwaltet werden.
Bei Binance.US sorgten die Geldabflüsse für Unruhe, wie aus Nachrichten hervorgeht, die Reuters einsehen konnte. So habe die damalige Chefin von Binance.US direkt bei Binance um eine Erklärung gebeten, da die Überweisungen »unerwartet« gewesen und »von niemandem erwähnt« worden seien. Die Finanzchefin von Binance wiederum hatte erst kürzlich erklärt, die Beziehung zu Binance.US bestehe lediglich aus einem geteilten Namen und einer Lizenzvereinbarung für Technologie. »Wir transferieren unsere Einlagen nicht hin und her«, sagte sie dem »Wall Street Journal« .
Die Sprecherin von Binance, Kimberly Soward, ging nicht auf die Fragen zu den in den Bankunterlagen aufgeführten Überweisungen ein. In einer Erklärung teilte sie nur mit, Reuters verwende veraltete Informationen. Sie fügte hinzu: »Merit Peak handelt nicht auf der Binance.US-Plattform und bietet dort keine Dienstleistungen an.« Soward zufolge haben nur Angestellte von Binance.US einen Zugang zu den Bankkonten des US-Unternehmens.
Author: Michael Carter
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