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Die ETH-Professorin Sonia Seneviratne ist neu in den Vorstand des Weltklimarats (IPCC) gewählt worden. Um diese Aufgabe übernehmen zu können, legt sie ihr Amt als Delegierte für Nachhaltigkeit an der ETH nieder. Im Interview spricht sie über die alten und neuen Funktionen.

Porträtbild von Sonia Seneviratne

Sonia Seneviratne im Gespräch. (Bild: ETH Zürich / Anne Morgenstern)

Der IPCC fasst den Forschungsstand über das Klima und seine Veränderungen in Berichten zusammen, formuliert neue Forschungsfragen und koordiniert weltweit die Anstrengungen in der Klimaforschung. Der IPCC-Vorstand leitet diese umfangreichen Arbeiten. Im Vorstand sitzen 34 Wissenschaftler:innen, davon dürfen aber nur acht aus Europa kommen. Diesem anzugehören, gilt als besondere Auszeichnung, verlangt aber auch viel Einsatz.

Sie sind schon länger beim IPCC engagiert, neu sind sie aber Vize-Vorsitzende der Arbeitsgruppe 1 «Physikalische Grundlagen». Was ändert sich dadurch?
Ich war bereits mehrmals als Leitautorin oder koordinierende Leitautorin an IPCC-Berichten beteiligt – beispielsweise beim Sonderbericht zu den Klimaextremen oder zum 1,5 Grad-Ziel. Der Vorstand hat aber vor allem eine strategische Funktion. Wir legen fest, was während eines Berichtszyklus geschieht, welche Berichte in den kommenden sieben Jahren sinnvoll wären und wählen geeignete Autoren und Autorinnen aus und begleiten diese. Die Mitglieder des Vorstands tragen ausserdem zu den Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger:innen bei. Da haben wir die Möglichkeit, aktiv bei der Konsensfindung und Formulierung der anspruchsvollen Passagen beizutragen.

Was steht auf der Agenda?
Die nächste Vorstandssitzung findet im November in Genf statt – das ist praktisch, dann kann ich mit der Bahn hin (lacht). In einem weiteren Schritt legen wir in den Arbeitsgruppen die Themen fest, die im kommenden Bericht behandelt werden sollen. Wir werden diese Vorschläge auf der kommenden Generalversammlung des Weltklimarats im Januar präsentieren.

Wo werden die Schwerpunkte liegen?
Zurzeit befinden wir uns in einer speziellen Lage – wir erleben, was wir an Treibhausgasen emittiert haben. Wir leben heute in den Szenarien, die wir einst für die Zukunft modelliert haben. Wir sind mittendrin. Unsere neue Aufgabe besteht darin, den aktuellen Zustand noch besser zu überwachen. Zudem liegt ein Schwerpunkt auf dem, was wir «umsetzbare Informationen» nennen, also darauf, wie politische Entscheidungen besser unterstützt werden können.

Agiert der IPCC zu langsam?
Ein typischer IPCC-Zyklus dauert etwa sieben bis acht Jahre. Aber der Weltklimagipfel hat einen neuen Prozess eingeführt, bei dem alle fünf Jahre eine globale Bilanz der Klimakrise gezogen werden soll. Diese Bilanz wird erstmals in diesem Jahr durchgeführt und dann wieder im Jahr 2028. Ich fände es deshalb sinnvoll, wenn wir schneller kürzere Zusammenfassungen zum Stand der Klima- und Emissionsentwicklungen hätten. Wir können nicht bis 2030 auf den nächsten IPCC-Synthesebericht warten.

Männer und Frauen stehen auf der Bühne nach einem Talk. Die Erde ist hinter ihnen an die Wand gebeamt.

Sonia Seneviratne mit weiteren IPCC-Autoren und Autorinnen am COP in Glasgow. (Bild: X / @IPCC_CH)

Wo möchten Sie persönlich Akzente setzen?
Mir sind die Schnittstellen zwischen den drei Arbeitsgruppen sehr wichtig. Vereinfacht gesagt, konzentriert sich die Arbeitsgruppe 1 auf die Grundlagen des Klimawandels, Arbeitsgruppe 2 auf dessen Auswirkungen und Arbeitsgruppe 3 auf die Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels. Einige Aspekte werden jedoch zu wenig miteinander verknüpft.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Oft wird die Idee diskutiert, Wälder zu pflanzen, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Was jedoch nicht ausreichend berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass einige dieser Wälder gar nicht überleben würden, wenn es immer trockener wird und Brände häufiger auftreten.

«Wenn die Welt vier Grad wärmer wäre, würde die Gesellschaft, wie wir sie jetzt kennen, nicht weiterhin bestehen können.»

Sonia Seneviratne

Darüber hinaus gibt es immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass die Wirtschaft ohne eine drastische Reduzierung der CO2-Emissionen nicht wie bisher weiterlaufen könnte. Wenn die Welt vier Grad wärmer wäre, würde die Gesellschaft, wie wir sie jetzt kennen, nicht weiterhin bestehen können.

Sie geben dafür Ihre Position als Delegierte für Nachhaltigkeit an der ETH auf. Warum?
Es wäre schlicht zu viel, beides gleichzeitig zu machen. Meine neue Aufgabe beim Weltklimarat wird meine Zeit stark beanspruchen. Neben meiner Tätigkeit als Professorin an der ETH verlangt sie meinen vollen Einsatz. Ausserdem gibt es im Bereich Nachhaltigkeit an der ETH viel zu tun.

Wie meinen Sie das konkret?
Die ETH muss und möchte bis 2030 ihre Netto-Null-Ziele erreichen. Allerdings tauchen wichtige Fragen auf. Wie reduzieren wir die Emissionen tatsächlich? Um wirklich Netto-Null zu erreichen, müssten die jetzigen Emissionen bis 2030 über 50 Prozent reduziert und der Rest mit Negativemissionstechnologien kompensiert werden, beides braucht Investitionen. Angesichts der aktuellen Budgetkürzungen gestaltet sich diese Umsetzung des Ziels als besonders anspruchsvoll. Als im Juni das Klimaschutzgesetz angenommen wurde, hofften wir auf mehr finanzielle Unterstützung seitens des Parlaments, insbesondere im Bereich der Dekarbonisierung. Die ETH, wie auch andere Bundesinstitutionen, haben da meiner Ansicht nach eine Vorbildfunktion und benötigen die entsprechenden Ressourcen. Ich bin mir sicher, dass meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger sich diesen Fragen mit viel Engagement widmen wird.

Ist es nicht frustrierend, sich für den Klimaschutz zu engagieren und dann zu erleben, dass Veränderungen nur langsam eintreten? Haben Sie selber Strategien, um durchzuhalten?
Ich denke, wenn man sich aktiv damit auseinandersetzt und das Gefühl hat, etwas Nützliches zu tun und seinen Beitrag leistet, hilft das bereits sehr. Niemand kann die Klimakrise alleine lösen, aber jede und jeder von uns kann einen Beitrag leisten. Im letzten Klimabericht gab es zudem viele alarmierende Nachrichten, aber ich finde, die positiven wurden übersehen. Es wird zu viel über das Netto-Null-Ziel gesprochen, anstatt darüber, was wir bis 2030 erreichen können. Zum Beispiel sind viele Lösungen zur Klimakrise langfristig günstiger als der Verbrauch von fossilen Energieträgern. Ich finde es hilfreich, sich am Machbaren und Positiven zu orientieren.

Zur Person

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Sonia Seneviratne ist Klimaforscherin und Professorin für Land-Klima Dynamik an der ETH Zürich. In ihrer Forschung befasst sie sich mit der Untersuchung von Extremereignissen (Trockenheit, Hitzewellen) und dem menschenverursachten Klimawandel. Sie wurde im Juli 2023 neu in den Vorstand des Weltklimarats gewählt.

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Author: David Garcia

Last Updated: 1699537922

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Name: David Garcia

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